Der Chorstrebepfeileraufsatz 13/14 Süd
Nachbildung, Neufertigung und Aufbau
Bei einer der jährlich durchgeführten Befahrungen zur Begutachtung und Sicherung der Steine am Freiburger Münster, wurde im April 2010 festgestellt, dass der Aufsatz des Strebepfeilers 13/14 am südlichen Chor nicht mehr standsicher ist. Bereits 1931 wurde im Geschäftsbericht ausführlich dargelegt, dass man die Aufsätze kontrolliert verfallen ließ, lose Teile ohne Ersatz abgenommen und vermutlich aufgrund mangelnder Wertschätzung der Neugotik auch gleich entsorgt hat. Daher fehlen viele Bestandteile und fast sämtliche Zierformen dieses Strebepfeileraufsatzes. Von der ursprünglichen Gesamthöhe von etwa 10,8 m war 2010 lediglich noch ein 4,6 m hohes Fragment erhalten.
Konstruktive Mängel, das jahrzehntelange schonungslose Abnehmen von Bau- und Zierteilen, aber vor allem das wenig haltbare und nicht mehr dauerhaft konservierbare Plattensandsteinmaterial aus Fischbach, führten zu der Entscheidung, diesen Aufsatz abzubauen und als Neuschöpfung, angelehnt an die nachvollziehbaren Formen nachzubilden.
Seit 2012 wurde von den Mitarbeitenden der Münsterbauhütte und Fachleuten der Denkmalpflege und Architekturgeschichte ein Weg erarbeitet, der ermöglicht dieses fast verlorengegangene Architekturteil, wieder nachzubauen. Ziel und Anspruch war es, sowohl dem noch vorhandenen Fragment als auch der Arbeitsweise und dem Formenverständnis unserer Zeit gerecht zu werden.
Nachdem die Entscheidung zu einer Neufertigung des Strebepfeileraufsatzes gefallen war, war schnell klar, dass dieser haltbarer konstruiert werden muss als sein Vorgänger. Für die Neugestaltung kam daher der kieselig gebundene Neckartäler Hartsandstein auf die Werkböcke. Auch die Aufteilung der Einzelsteine wurde überarbeitet: Aus ursprünglich 133 Werksteinpositionen wurden neu 92 und der Fugenanteil dadurch deutlich reduziert. Die Höhe und das Erscheinungsbild des Originals sollten aber die Vorgabe für die Neuentwicklung bleiben.
Ausführung
Die Ausführung des Zierschmucks orientierte sich an den wenigen Vorlagen, die noch vorhanden waren. Zu jeder Form entstanden verschiedene Entwürfe, aus denen sich die endgültige Form entwickeln ließ.
Für den unteren Bereich des Chorstrebepfeileraufsatzes lagen tatsächlich noch zwei vollständig erhaltene Krabben vor, die Efeublätter abbilden. Der Efeu diente deshalb als Grundmotiv für die nachbildende Neuschöpfung und wurde in Zierelementen wie Krabben, Kreuzblumen und Fialen vielfältig interpretiert, stets unter Berücksichtigung einer harmonischen Einfügung ins Gesamtbild.
Schwieriger dagegen war die Formfindung für das obere Drittel des Chorstrebepfeileraufsatzes, denn einzig das Fragment einer Wimpergkrabbe war noch erhalten sowie einzelne Fotos, die um die Jahrhundertwende (ca. 1890) und in den 1960er-Jahren entstanden waren. Auf einem der Fotos war eine Distelfrucht zu identifizieren. Fragment und Fotos zusammen dienten als Grundlage für die Nachbildung dieser Krabbe. Steinmetzinnen und Steinmetze der Bauhütte modellierten und interpretierten die neue Form aufgrund der spärlichen Vorlagen gezwungenermaßen relativ frei und legten einige Vorschläge vor. Der Vorlage am nächsten kam eine Distelform – der zweite Pflanzentyp für den Chorstrebepfeileraufsatz war gefunden.
Alle Formen wurden in Ton oder Plastilin modelliert und zur Übertragung in Stein und zur späteren Aufbewahrung dann in Gips gegossen.
Moderne Verfahren, wie das digitale dreidimensionale Entwerfen und Ausdrucken, oder das Einsetzen von zeitgemäßen Steinbearbeitungswerkzeugen wie Drucklufthämmer oder auch sechsarmigen Roboterfräsen, führen kombiniert mit traditionellem handwerklichem Arbeiten, wie dem Modellieren in Ton oder dem händischen Bearbeiten der Werksteine mit Knüpfel und Meisel, zu einem Ergebnis, das zeigt, wie sich Neues, geschöpft aus altem Wissen entwickeln lässt.
Zeitplan
Die 92 Einzelsteine werden nun in den kommenden Monaten am Chor versetzt. Zunächst können Sie hier den Gerüstbau verfolgen und voraussichtlich ab Juni sehen, wie der Strebepfeileraufsatz Stein für Stein in die Höhe wächst.
Nähere Informationen finden Sie auch auf der Webseite des Freiburger Münsterbauverein e.V.